Parkour: Hier gibt es keine Grenzen!

„Parkour lässt dich neue Wege gehen – auf der Straße und im Leben“ (Stephan Nägler)

Michael beim Wall-Flip

Und wieder einmal haben wir eine actionreiche und interessante Sportart in Regensburg entdeckt: Parkour! Viele von euch werden, ähnlich wie ich auch, Parkour vor allem aus Film und Fernsehen kennen. Um die sogenannte Kunst der effizienten Fortbewegung besser zu verstehen und das ganze mal selber auszuprobieren waren wir beim Probetraining in der Parkour-Halle Regensburg.

Leider hatte ich meine Sportschuhe vergessen, aber ich durfte barfuß mitmachen. Unser Trainer und 1. Vorsitzender von Parkour Regensburg, der liebe Max, meinte aber, das sei absolut kein Problem und teilweise sogar von Vorteil. Bis auf eine Übung hab ich tatsächlich alles ohne Probleme bewerkstelligen können. Das ganze barfuß anzugehen war gleich nochmal ein viel intensiveres Gefühl. Es schickt einen irgendwie ein bisschen in die Zeit zurück, als man klein war und Barfußlaufen, auf Bäume klettern und Bäche überspringen zu unserem Alltag gehörte.

Erst mal aufwärmen

Begonnen hat unser Training mit einer großen Aufwärmrunde. Da es sich bei Parkour um eine Ganzkörpersportart handelt, ist gerade das Aufwärmen und Dehnen des gesamten Körpers extrem wichtig um Verletzungen vorzubeugen. Vor allem Hand- und Kniegelenke werden stark beansprucht. Deshalb ist das Aufwärmprogramm auch etwas umfangreicher als die 5 Minuten Dehnen im Fitness-Studio. Wir liefen, dehnten und streckten uns also während uns Max viele interessante Fakten und etwas zur Geschichte von Parkour erzählte.

Effektive Fluchtmethode

Parkour kommt, wie fast nicht anders zu erwarten, aus dem Französischen und bezeichnet die Kunst der effizienten Fortbewegung. Ursprünglich galt Parkour als effektive Fluchtmethode, die von Soldaten genutzt wurde. Durch die weitere Entwicklung von Raymond Belle, seinem Sohn David und weiteren Personen wurde die einstige Fluchtmethode zu der beliebten Ganzkörpersportart wie wir sie heute kennen. Bei dem Wort „Fluchtmethode“ verselbstständigte sich natürlich augenblicklich meine Fantasie: sofort hatte ich das Bild eines Superhelden (oder wahlweise auch Superschurken) vor Augen, der die Hindernisse der Stadt überwinden muss, um seinem Widersacher zu entwischen. Da steigt doch gleich die Motivation wie ein Luftballon!
Das Ziel von Parkour ist es möglichst effizient, schnell und sicher von A nach B zu gelangen und dabei die Hindernisse von der Umgebung unabhängig zu überwinden. Natürlich geht es auch darum Gefahren richtig einzuschätzen und seine eigenen Grenzen kennen zu lernen und diese mit einer gesunden Selbsteinschätzung in kleinen Schritten auch zu überwinden. Parkour ist also nur so gefährlich, wie man es sich selbst macht. Entgegen vieler Medienberichte springen Parkourläufer NICHT waghalsig über Häuserschluchten oder verwüsten anderer Leute Vorgärten mit ihrem rücksichtslosen Verhalten. Abgesehen davon ist Parkour außerdem absolut wettkampffrei. Es gibt kein sich aneinander messen. Vielmehr helfen die Parkourläufer einander und unterstützen sich gegenseitig.

 

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Richtig landen lernen

Als wir uns genug aufgewärmt hatten – und ich wohl gemerkt wirklich schon ein bisschen ins Schwitzen geriet – ging es endlich ans Eingemachte, unsere erste Parkour-Übung! Und weil jeder Superheld klein anfängt, lernten wir erstmal eine der wichtigsten Grundlagen beim Parkour – die Landung!
Wusstet ihr, dass wir meistens viel zu hart und nicht gelenkschonend landen? Wenn ich beispielsweise von einem Stuhl springe, lande ich einfach auf meinen beiden Füßen und gehe dabei vermutlich noch ein bisschen in die Knie. Der komplette Sprung wird also von meinen Beinen abgefangen. Ab einer gewissen Höhe tut das sicherlich verdammt weh und man kann sich ganz schön was stauchen. Eine viel schonendere und auch praktischere Landung ist beispielsweise auf beiden Füßen in der Hocke zu landen und sich dabei mit den Händen auf den Boden abzufedern. Das ganze hat auch noch den praktischen Vorteil, dass man dabei viel stabiler bleibt und nicht so leicht aus dem Gleichgewicht gerät; man kann sich gleich wieder hochdrücken und weiterlaufen.
Nach einigen dieser Landetechniken, merkte ich schon ein leichtes Spannungsgefühl in den Handgelenken. Je weniger man diese im Alltag belastet, desto schneller können sie bei einer leichten Überbelastung schmerzen. Wie bei allen Sportarten gilt hier auch: Sobald man Schmerzen hat oder sich unwohl fühlt, sollte man natürlich aufhören und erstmal pausieren.

 

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Hürden richtig überwinden

Als nächstes widmeten wir uns einem relativ hohen Bock, der vor uns aufgebaut war, ähnlich wie man ihn aus dem Sportunterricht kennt. Zunächst sollten wir einfach unabhängig von dem, was Max uns bisher erzählte, dieses Hindernis überwinden. Ich entschied mich für eine mich untypische, relativ elegante Variante, indem ich meine Beine über den Bock schwang und mich kurz absetzte um danach mit einem Satz herunter zu springen. Max erklärte uns, dass grundsätzlich niemand das Hindernis falsch überwunden hatte. Aber es gibt eben einige effizientere und schnellere Techniken um solche Hürden zu überwinden.
Parkour besteht aus einigen Grundtechniken wie bestimmten Landungen oder Sprüngen. Es gibt beispielsweise Sprünge mit deren Hilfe man sicher und kontrolliert landet, andere bei denen man möglichst wenig Geschwindigkeit verliert oder Sprünge, bei denen im Anschluss eine Richtungsänderung folgt.

 

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Wall-Flip und tolle Moves

Schon die komplette Theorie, die Max uns näher brachte war unglaublich interessant und spannend. Aber noch spannender war es den anwesenden Mitgliedern beim Training zuzugucken. Während wir uns freuten, dass wir den Bock ohne größere Probleme überwinden konnten, betrachtete ich gespannt einige Moves der Anderen. Der 14-jährige Michael beispielsweise rannte einfach eine Wand hoch um dann einen Salto, oder besser gesagt einen „Wall-Flip“ zu machen. Als ich mich ein bisschen mit ihm unterhielt, erzählte er, dass er seit ungefähr einem Jahr rund zwei Mal die Woche hier trainiert. Ich war total aus dem Häuschen und mega beeindruckt, in was für einer kurzen Zeit man solche außergewöhnlichen Techniken lernen konnte. Auch die anderen anwesenden Jungs zeigten mir anhand der vielen Möglichkeiten, die die Halle bietet, was sie drauf hatten. Die Szenerie erinnerte mich ein bisschen an Affen oder Katzen, denen man beim Herumtollen zusah. Beeindruckend und unterhaltsam zugleich.

 

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Michael beim Wall-Flip

Präzisionssprünge: schwieriger als gedacht

Für uns ging es anschließend weiter mit Präzisionssprüngen. Wir visierten einen Punkt vor uns an und sprangen drauf los. Auch hier gab es natürlich wieder einiges zu beachten; Körperspannung und Gleichgewicht lautete die Devise. Um den Schwierigkeitsgrad noch zu steigern, legte Max rutschfeste Platten mit einem festgeschraubten Holzstück darauf auf dem Boden aus. Wir sollten mithilfe des Präzisionssprungs von Platte zu Platte springen. Hier kapitulierten allerdings meine Füße. Aber kein Problem für mich, so konnte ich die Zeit für ein paar lustige Fotos meiner Mitstreiter nutzen. Diese Übung war wohl auch größtenteils für meinen Muskelkater in den nächsten Tagen verantwortlich. Denn der war an Stellen in den Beinen zu spüren, die sonst nach dem Sport nie schmerzen. Schön zu wissen, dass man dort auch Muskeln hat.

 

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Simon und Antonia (Redaktion) versuchen sich an Präzisionssprüngen!

Superheld Feeling

Am Schluss unseres Probetrainings hangelten, liefen, kletterten und sprangen wir einmal quer durch die Halle, was unfassbar viel Spaß gemacht hat. Ähnlich wie damals im Kletterwald als ich mich wie Indiana Jones fühlte, bekam ich beim Parkour schon ein bisschen das Superhelden-Feeling. Vielleicht ist das auch neben den vielen anderen positiven Aspekten von Parkour etwas, was die Menschen antreibt – denn wer wäre nicht gern mal ein Superheld?

Und rein in die Schnitzelgrube

Mein persönliches Highlight war das Ende unseres Trainings – der Sprung in die Schnitzelgrube oder korrekt ausgedrückt den „Foam Pit“. Die Schnitzelgrube ist eine Grube, gefüllt mit mehreren Netzen und quasi unendlich viel Schaumstoff, der den Fall bremst. Hier kann man sich nach Herzenslust austoben und Sprünge, Saltos oder weiß Gott was für coole Techniken üben. Als blutiger Anfänger überließ ich die actionreichen Sprünge lieber den geübten Mitgliedern und ließ mich einfach nur rückwärts in die Grube fallen. Mensch, war das lustig! Hallo Adrenalin! Bitte nochmal! Das schlimmste an der Schnitzelgrube ist eigentlich nicht der Sprung oder das Gefühl zu fallen – nein, es ist tatsächlich das Rauskommen! Wenn man keinen festen Untergrund, sondern nur Berge aus Schaumstoff unter sich hat, ist es wirklich kräftezehrend sich da wieder rauszukämpfen. Achja, und immer schön Söckchen und Brillen vorher ausziehen. Den Kram findet ihr da drin nämlich nie wieder.

 

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Sport, Spaß und eine tolle Community

Ich hatte riesigen Spaß beim Probetraining und bin sehr froh, dass ich mich einmal wie Batman, Deadpool und Co. fühlen durfte! Es ist immer wieder schön, neue Dinge auszuprobieren und so auch seine eigenen Limits kennen zu lernen. Mir hat das Training beispielsweise gezeigt, dass ich dringend was für meine Arme tun muss. Am Abgrund könnte ich mich nämlich mit denen nicht sehr lange halten. Es ist außerdem wirklich beeindruckend, was der Mensch mithilfe von Training erreichen kann. Ich dachte immer Saltos und alles was dazugehört wären was für außergewöhnliche Athleten, aber mit ein bisschen Übung kann das im Endeffekt jeder lernen. Parkour ist eine weitere Randsportart, die sich immer mehr Beliebtheit erfreut. Neben dem Spaß am Sport bietet Parkour eine große, liebevolle Community. Für viele ist Parkour mittlerweile viel mehr als nur das bloße Ausüben einer Sportart um sich selbst fit zu halten. Es wird zu einer Lebeneinstellung. Denn Hindernisse in der Halle, draußen in der Welt oder auch im Leben sind schließlich keine Grenzen, sondern nichts weiter als Hürden, die es zu überwinden gilt.

Info

Die Regensburger Parkour-Community gibt es seit 2008. Aufgrund der steigenden Nachfrage und des immer größer werdenen Andrangs gründeten sie 2012 einen gemeinnützigen Verein, den Parkour Regensburg e. V. Neben den verschiedenen Trainings bieten sie auch Ferienkurse, Workshops oder Kindergeburtstage an. Auch auf dem Regensburger Bürgerfest waren sie vertreten. Mittlerweile fasst Parkour Regensburg rund 230 Mitglieder. Das Mindestalter für ein Probetraining ist 8 Jahre. Nach oben hin gibt es keine Grenzen. Jedoch findet man beim Parkour Regensburg überwiegend Kinder und Jugendliche. Auch eine Fitnessvorgabe ist nicht erforderlich. Jeder kann mit seiner aktuellen Kondition in seinem eigenen Tempo mitmachen. Die Parkour-Halle in Prüfening ist 321 qm groß und Deutschlands erste gemeinnützige und TÜV-zertifizierte Parkour-Halle. In der Halle selbst befinden sich neben zahlreichen mobilen Hindernissen, viele Stangengerüste, mehrere Ebenen, eine Airtrick sowie eine Schnitzelgrube. Mehr Infos unter www.parkourregensburg.de


Text & Fotos: Corinna Meister www.jetztgibtsbeef.de

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